Porträt Céline Reust

Reust STT 2019 4In der Balance zum Erfolg

Im Januar gewann sie im Doppel gegen die Europameisterinnen. Céline Reust ist sicher: Für regelmässige internationale Exploits fehlt ihr nur noch die Erfahrung. Im März will die 21-jährige Jus-Studentin an der SM ihre erste Goldmedaille im Einzel gewinnen.

 

Text: Stefan Kleiser / Fotos: zvg/René Zwald

 

Es ist Januar. Céline Reust lernt für die Prüfungen vom Sommer. Seit 1 1/2 Jahren studiert die 21-Jährige an der Uni Zürich Jus. Das Strafrecht interessiere sie, erzählt sie, «und das Notariat finde ich auch spannend, in diesem Bereich kann ich mir auch vorstellen einmal zu arbeiten». Derzeit ist die Herausforderung jedoch, jeden Tag einen Platz in der Bibliothek des Seminars zu ergattern. «Es ist mega voll, man muss früh da sein», schmunzelt Céline Reust. Nämlich um acht Uhr, wenn sich die Türen öffnen.

 

In der Kantonsschule war noch einiges anders. Das Gymnasium sei nicht wirklich streng gewesen, blickt Reust auf ihre Zeit am Rämibühl in Zürich zurück. Als Absolventin der Sportklasse hatte das Tischtennis-Talent aus Volketswil genügend Freiraum im Kalender für die Übungseinheiten. «Jetzt kann ich nicht mehr so viel trainieren», sagt die Nationalspielerin. «Ich versuche die Balance zu halten zwischen Lernen und Trainieren.» Damit nichts zu kurz kommt. Sechs Mal in der Woche steht Céline Reust in der Sporthalle.

 

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Mehr als nur Tischtennis

 

Im Jahr zwischen Gymnasium und Studium hat Céline Reust ganz auf Tischtennis gesetzt. Sie trainierte in Montpellier und Australien, lernte andere Mentalitäten kennen. «Es läuft nicht alles so schnell in Frankreich wie in der Schweiz», hat sie beobachtet. «Sportlich war es aber sehr spannend. Ich habe viel häufiger mit Frauen trainiert.» Down Under war Zeit für vier Wochen Reisen im Camper mit dem Bruder und zwei Freunden.

 

Dass sie wieder zurückkehre, sei immer klar gewesen, sagt Céline Reust: «Ich fühle mich hier daheim». Dass sie nicht ausschliesslich auf Tischtennis setzt, auch. «Ich könnte mir durchaus vorstellen, das Studium zu verlängern und eine Weile auf Tischtennis zu setzen, falls sich das aufdrängt aufgrund der sportlichen Entwicklung und auf ein bestimmtes Ziel hin.» Reust weiss: «Wenn ich Profi wäre, dann würde ich natürlich mehr trainieren und hätte mehr Sicherheit in den Schlägen». Aber im Zwischenjahr merkte sie, dass etwas fehlte. «Ich bin ein Kopfmensch. Ich hätte neben dem Tischtennis ein Fernstudium machen können.» Aber sie sei für das Studium gerne vor Ort, mit anderen Leuten. Sie müsse ja nicht sämtliche Vorlesungen besuchen. 80 Prozent sei sie anwesend, schätzt Céline Reust.

 

Es braucht nur noch mehr Zeit

 

Auch mit Studium geht es im Tischtennis weiter vorwärts. 2018 mit dem Heimclub Uster in die NLA aufgestiegen, hat Céline Reust heuer in der höchsten Liga eine 14:4-Bilanz erzielt. An internationalen Turnieren bezwang die Zürcher Oberländerin heuer mit der Kroatin Dorina Srebrnjak und der Argentinierin Camila Arguelles zwei Spielerinnen aus den Top 150 der Weltrangliste. Was ihr noch fehle, um regelmässige solche Gegnerinnen zu besiegen, sei vor allem Erfahrung, also Zeit, meint sie.

 

Schon im März will Céline Reust den ersten Erfolg über eine Top-100-Spielerin aus dem World Ranking realisieren: An der Schweizer Meisterschaft in Châtelaine möchte sie Rachel Moret enttrohnen. 2017 scheiterte sie im Halbfinal an Nationalteam-Kollegin Rahel Aschwanden – nach vergebenem Matchball. Es war die schlimmste Niederlage ihrer Karriere. Im letzten Mai unterlag sie Aschwanden am Ranglistenturnier das letzte Mal knapp, mit 2:3, «dabei habe ich die ersten beiden Sätze völlig dominiert». Das Erreichen des Finals an der SM ist darum das persönliche Minimalziel.

 

Vespa fahren, Marathon laufen

 

 

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2018 ist Céline Reust zwar Meisterin im Doppel geworden, im Einzel gewann sie bisher aber erst drei Mal Bronze. Man müsse sich hohe Ziele setzen, sagt sie selbstbewusst, der Sieg im Einzel sei durchaus möglich. Das glaube auch ihr Trainer Pedro Pelz. Seinetwegen ist Reust diesen Winter auch für das NLB-Männer-Team Neuhausen lizenziert und fährt nach der Uni drei Mal in der Woche ins Training nach Schaffhausen. «Ich habe mir im Sommer eine Vespa gekauft», verrät Céline Reust stolz. «So bin ich schnell überall.» Nach Schaffhausen fährt sie jedoch im Auto, das sie sich von ihrer Mutter Barbara ausleiht, die einst ebenfalls Tischtennis-Nationalspielerin war.

 

Neben Tischtennis spielt die A-Kader-Athletin auch gern Tennis (ihr erster Wettkampfsport), Squash oder Badminton. 2018 nahm Céline Reust am Halbmarathon um den Greifensee teil. «Und irgendwann würde ich gerne den Marathon in New York laufen.» Davor gibt es aber noch Ziele im Tischtennis zu erreichen: Im World Ranking unter die Top 100 vorzurücken (die bisher beste Platzierung: 266) oder sich sich für die Einzel-WM von April aufzudrängen. Sie findet in Budapest statt. Dort ist Reust Mitte Januar ein weiterer Exploit gelungen: An den Hungarian Open bezwang sie im Doppel mit Rahel Aschwanden die Europameisterinnen Kristin Lang und Nina Mittelham. «Wir wissen auch nicht genau, wie wir das geschafft haben», schmunzelt Reust. «Aber wir haben stark gespielt.»

 

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