Ein Leben für den Verein

Giovanni Giorgini AufschlagEin Leben für den Verein

Für ein Heimspiel fast 500 Kilometer reisen und dabei eine Landesgrenze überqueren? Was für viele niemals in Frage kommen würde, macht Giovanni Giorgini freiwillig.

Dirk Lion hat mit dem wohl treuesten Vereinsspieler gesprochen.

 Text: Dirk Lion / Fotos: Dirk Lion/zvg

 

Samstagabend, Giovanni Giorgini ist glücklich nach einem harten Spiel seiner Mannschaft, des TTC Birkenfeld I (TTCB). Das Team konnte in der Landesliga in Deutschland (Verband Württemberg-Hohenzollern) als Aufsteiger den ersten Saisonsieg einfahren. So weit, so gewöhnlich.

 

Weniger gewöhnlich daran ist: „Gio“ wie er von allen nur genannt wird, lebt und arbeitet in der Schweiz und reist für die Spiele 470 Kilometer pro Weg an. Der 32-Jährige lebt in Losone im Kanton Tessin und trainiert derzeit beim STT Tenero sowie STT Locarno.  „Ich habe vor drei Jahren meine Thesis geschrieben“, so der studierte Maschinenbauingenieur. „Ich denke, wenn man dann beruflich so eine Möglichkeit bekommt, in seinem Wunschberuf bei seinem Wunsch-Unternehmen am Lago Maggiore zu arbeiten, dann ist das Hobby Tischtennis zweitrangig.“

 

Auf die Unterschiede zwischen dem Tischtennis in Deutschland und der Schweiz angesprochen ergänzt der sympathische Rechtshänder: „Tischtennis ist im Tessin leider nicht so stark verbreitet, aber im Prinzip gibt es keine großen Unterschiede. Es kommt extra ein Trainer aus Italien, mit dem wir trainieren. Bisher war leider der Leistungsunterschied zu groß. Ich denke, dass ich zukünftig ein ähnliches Trainingsniveau wie in Deutschland haben werde. Im Allgemeinen kann man sagen, dass im Tessin Spaß am Spiel an erster Stelle steht und alles an sich lockerer angesehen wird. In Deutschland ist es verbissener.“

 

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Kommt das Thema auf seinen Verein zu sprechen, wird das Herzblut deutlich, dass Giorginis Handeln bestimmt. „Ich bin nun seit 22 Jahren in Birkenfeld. Der TTCB ist einfach mein Verein. Mannschaftsübergreifender Zusammenhalt und die Atmosphäre sind einmalig, weswegen für mich ein Wechsel nie zur Debatte stand.“ Und tatsächlich: Heimspiele vor bis zu 80 Zuschauern, Auswärtsspiele zu denen oftmals zwei Dutzend Fans mit anreisen, machen den „TTCB“ zu einem besonderen Verein. Man spürt: Der Verein lebt durch und mit seinen Mitgliedern – und bringt Leute wie Giovanni Giorgini dazu, selbst große Distanzen zurückzulegen.

 

„Ich fahre prinzipiell gerne Auto, auch wenn sich die Strecke natürlich alleine oftmals zieht.“ Umso erfreulicher für Giorgini und mit Sicherheit nicht selbstverständlich, dass seine Freundin Kristin, mit der er in der Schweiz zusammenlebt, oft mit zu den Spielen fährt und die Mannschaft unterstützt. „Was die beiden auf sich nehmen ist schon großartig und verlangt höchsten Respekt“ ergänzt Mannschaftsführer Daniel Forstner. Nichtsdestotrotz bleibt die Tatsache, dass das Wochenende auf der Autobahn zu verbringen vielfach ein zusätzlicher Stressfaktor ist: „Damit muss man umgehen können“, so Giorgini.

 

Giorginis Motivation ist, so wird im Gespräch deutlich, stark durch die Identifikation bestimmt. „Der Verein hat mir immer viel gegeben. Dem kehrt man dann nicht einfach so den Rücken“, so der 32-Jährige. „In der Vergangenheit haben einige Talente wegen Studium, Arbeit, etc. den Verein verlassen. Das wollte ich in meinem Fall einfach nicht tun. Damit möchte ich auch den Leuten zeigen, dass es möglich ist bei seinem Verein zu bleiben, auch wenn es einen Geschäftlich irgendwo anders hinzieht. Man soll nie eine Sache aufgeben, bevor man es nicht ausprobiert hat. Natürlich nur, wenn es finanziell möglich ist.“

 

Gemeinschaft

 

Berufsbedingt hätte Giovanni Giorgini die Reißleine ziehen können. Es wäre verständlich gewesen. Aber wenn man persönlich mitbekommt, wie ein Verein wieder aufgebaut wurde, dann ist es schwierig einfach loszulassen. „Damals, als ich mit 8-9 Jahren angefangen hatte, gab es im Prinzip keine Jugend mehr. Mit 5-6 anderen Jungs und mir hat eigentlich die „Erfolgsstory“ und Jugendarbeit des TTC Birkenfeld wieder angefangen.“

 

Leidenschaft, Identifikation und Freundschaft sind die Gründe, weswegen Giorgini die beschwerliche Anreise immer wieder auf sich nimmt – und warum er schon bald wieder auf der Autobahn zwischen der Schweiz und Deutschland einen Teil seines Wochenendes verbringen wird.

 

 

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