Tessiner Ecke: STT Lugano: Mit Rohdiamant Tao Wu zum Schweizer Meistertitel

2017 12 10 10.01.58 809 IMG 8260Tessiner Ecke: STT Lugano: Mit Rohdiamant Tao Wu zum Schweizer Meistertitel

Wie im Beruf oder normalen Leben führen optimale Beziehungen oft ans ambitionierte Ziel. Nun hofft STT-Lugano-Trainer Simone Spinicchia, dass die Südtessiner mit der Verpflichtung des italienischen und mit chinesischen Wurzeln beschlagenen Edeljokers Tao Wu (37-jährig) zum grossen nationalen Coup ausholen können.

Der Sidespin legt die Ambitionen der Luganesi offen auf den Tisch und stellt natürlich Ausnahmekönner Wu näher vor.

Text: Robert Szendröi / Bilder: Robert Szendröi und STT Lugano

 

Mindestens der Augenkontakt zwischen Luganos Spielertrainer Simone Spinicchia (33) und Neuverpflichtung Wu besteht bereits seit dem Jahr 2000. Dazu der Tessiner Coach: „In der Tat sind wir uns beim Jahrtausendwechsel in der italienischen Serie A2-Meisterschaft am Spieltisch gegenüber gestanden. Ich schlug die Bälle damals für Turin übers Netz, während Tao für TT Verres aus dem Aostatal (Italien) im Einsatz stand.“ Eine Begegnung, die in der laufenden Saison zu einer Art „Happyend“ geführt hat, denn nun kämpfen sie gemeinsam für den gleichen Klub und ein grosses Ziel!

 

Tao Wus Frühstart führt zu grosser Begeisterung und bis ins chinesische Nationalteam

 

Die Liebe zum Tischtennis hat der heute 37-jährige Wu bereits im zarten Alter von sechs Jahren in der Nähe von Peking (chinesische Hauptstadt) entdeckt, wie er sich erinnert: „Damals sagte ich zu meinen Eltern: Ich habe Hunger nach Pingpong! Zudem war Tischtennis in China ein beliebter Nationalsport. Wegen meiner grossen Begeisterung hielt ich mich täglich, inklusive sonntags, drei Stunden in der Trainingshalle auf.“ Sein Fleiss und Können machte sich später bezahlt – Wu verrät: „Meine Leidenschaft und Ehrgeiz führten mich bis in die chinesische Nationalmannschaft. Diese Farben konnte ich zwischen 1994 bis 1996 in Einzel- sowie Doppeleinsätzen vertreten. Im 2015 habe ich die italienische Staatbürgerschaft angenommen. Deshalb habe die chinesische automatisch verloren.“

 

Teilweise Meisterschaftseinsätze fürs Fanionteam TTC Lugano

 

Im angelaufenen Nationalliga A-Championat kommt Tao (A20) nicht in jeder Runde zum Einsatz. Trainer Spinicchia weiss näheres: „Wu bestreitet rund die Hälfte aller Meisterschafts- und später Playoff-Partien. Schliesslich setzte er ein Jahr lang mit der sportlichen Herausforderung aus.“ Seine Einsätze sind indes für das Tessiner Eliteteam immens wichtig, so Spinicchia: „Er hat das Zeug, um alle seine Widersacher zu besiegen. Das nimmt Csaba Molnàr und mir selbst viel Druck weg. Schliesslich musste ich selbst noch bei unserer NLC-Equipe aushelfen.“

 

Schweizer Meistertitel soll mit Tao Wus Qualitäten endlich Realität werden

 

Die Luganesi haben im Kampf um den Gewinn des Schweizer Meistertitels in den letzten Jahren einige Anläufe unternommen. Nun – und eben mit der Hilfe von Tao Wu – soll diese Mission erfolgreich gestaltet werden. Dabei nimmt Spinicchia kein Blatt vor den Mund: „Wir wollen uns endlich zum Schweizer Meister küren. Dabei soll uns Tao natürlich unterstützen. Er hat noch den alten chinesischen Stil inne. Das heisst, er nimmt den Schläger in der früheren chinesischen Form zur Hand. Sein Spiel ist sehr offensiv ausgerichtet. Dabei gehören seine Schnelligkeit, das nahe Stehen am Tisch, Aggressivität sowie Spektakel zu den augenfälligsten Eigenschaften der Ausnahmeerscheinung.“

Wu selbst ergänzt zu Spinicchias Aussagen: „Für meine Spielweise benutze ich einen Nittaku-Schläger und dieser ist mit einer sogenannten 802-er Gummifläche beschichtet. Im Match versuche ich meine Gegner zu antizipieren. Dabei soll meine Schlag- und Beinschnelligkeit entscheidend sein. Somit klar, dass ich offensiv und aggressiv ausgerichtet den Punktgewinn suche.“

 

Tao Wu zum Verbesserungspotenzial im Schweizer Tischtennis

 

Tao ist nicht nur ein grossartiger Spieler, sondern ein ebenso guter Beobachter der Schweizer Szene. So kennt er durchaus ein Rezept, wie sich das helvetische Tischtennis in Zukunft schneller und besser entwickeln könnte. Zum Thema zieht er Vergleiche zwischen China und der Schweiz: „Als ich damals sechs Jahre alt war, konzentrierte sich meine sportliche Aktivität ganz alleine aufs Tischtennis. Hätte ich andere Sportarten ausprobiert, hätte ich nur Zeit verloren. Ein Sportartwechsel kam in China nur in Frage, wenn man im ausgeübten Sport nicht talentiert genug war. Hingegen in der Schweiz habe ich festgestellt, dass die Jungen zu viele Tätigkeiten, wie Fussball, Schwimmen und so weiter gleichzeitig oder nacheinander ausüben. So verlieren sie den gezielten Fokus, um nur im Tischtennis wichtige Qualitätssprünge zu vollziehen. Allgemein mangelt es in Europa an qualifizierten Trainern. Tischtennis ist so vielfältig. Da braucht es ausgebildete Fachkräfte, um die vielen Details den jungen talentierten Spielern beizubringen. Dabei denke ich an Eigenschaften, wie Schnelligkeit, Rhythmus, Rotation, frühzeitiges Spiellesen, sowie psychologisches Verhalten am Tisch.“

 

Sushi-Koch und Tischtennis-Trainer in Mailand

 

Der neue Tischtenniskünstler am Ufer des Ceresios ist indes nicht nur ein hervorragender Spieler, sondern verdient sich sein alltägliches Brot in der Küche. „Jeweils morgens von Montag bis Freitag bereite ich in einem Mailänder Lokal köstliches Sushi vor. Dazu trainiere ich Kinder und Erwachsene beim Mailänder Amateurklub TT Aquile Azzurre“, erzählt Wu.

 

Nachvollziehbar, dass dem sympathischen Rohdiamanten Tao Wu die Leidenschaften am Tisch und im Beruf ins Gesicht geschrieben sind. Wer weiss, ob sein Engagement beim STT Lugano schon im Frühsommer 2018 mit dem langersehnten Schweizer Meistertitel gekrönt wird…

 

 

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