Dang Qiu: «Mentale Stärke lässt sich vielleicht nicht so leicht oder schnell trainieren, wie manche Fertigkeit am Tisch»
Mentale Stärke und Taktik im Wettkampf: Interview mit dem deutschen Nationalspieler Dang Qiu (WR 52)
Text: Dirk Lion / Fotos: Ittfworld
Dang Qiu kommt aus einer tischtennis-verrückten Familie. Nicht nur Mama und Papa waren sehr erfolgreiche Spielerinnen und Spieler (und jetzt Trainer) auch Bruder Liang hat es zwischenzeitlich bis hinauf in die Tischtennis Bundesliga geschafft. Der ganz grosse Durchbruch gelingt nun aber Stück für Stück dem jüngsten Familienmitglied, Dang, der inzwischen fester Bestandteil der deutschen Nationalmannschaft ist und in den letzten zwei Jahren mit vielen Siegen und Gewinnen auf sich aufmerksam machte. Grund genug, uns einmal näher mit der aktuellen Nr. 52 in der Weltrangliste über Themen wie Taktik und Mentale Stärke zu unterhalten.
Hallo Dang, du hast in den letzten Jahren eine beeindrucke Entwicklung vom talentierten Jugendspieler zum in der erweiterten Weltspitze angekommenen Herrenspieler hingelegt: Wie wichtig war dabei insbesondere die Stärke im Kopf?
Sehr wichtig und elementar! Ich möchte zu Beginn anmerken, dass es von grosser Bedeutung in diesem Bereich ist, sich nicht entmutigen zu lassen. Mentale Stärke lässt sich vielleicht nicht so leicht oder schnell trainieren, wie manche Fertigkeit am Tisch. Es gibt Rückschläge, über die man nachdenken muss, warum sie aufgetreten sind, um auch daraus etwas Positives zu ziehen. Daher immer am Ball bleiben!
Nun konkret zur Frage: Hugo Calderano hat es vor Kurzem in einem Interview auf den Punkt gebracht: „Table Tennis is mental war“ (Tischtennis ist mentaler Krieg). Alle Topspieler haben einen sehr guten Kopf und bleiben auch in angespannten Spielsituationen enorm ruhig, können ihre Emotionen gut steuern. Sich auch beständig in diesem Bereich weiterzuentwickeln ist daher enorm wichtig – ich denke für jeden, unabhängig von der Spielklasse.
Kommen wir zum Punkt der Taktik. Wie gehst du das vor und im Spiel an?
Ich überlege mir vor dem Spiel eine Grundtaktik, die ich gerne spielen möchte. Im Spiel wandelt sich die Taktik dann. Die Taktik funktioniert vielleicht nicht oder der Gegner stellt sich darauf gut ein. Da gilt es dann, Thema Mentale Stärke, ruhig zu bleiben und sich neue Wege zu überlegen. Wer sich schneller anpasst, wird hier immer einen Vorteil haben. Eine gute Vorbereitung hilft aber immer!
Wie stehst du zum Thema Routinen? Sie können Halt und Unterstützung bieten, gleichzeitig aber auch aus der Bahn werfen, wenn man si – aus vielleicht unverschuldeten Gründen – nicht ausüben kann. Ein zweigleisiges Schwert, oder?
Ja, durchaus. Insbesondere in der Wettkampfvorbereitung habe ich Routinen: Wie gehe ich an einen Wettkampf ran? Was ist alles zu erledigen? Das unterscheidet sich je nach Art des Spiels: ist es ein längeres Turnier, ein einzelnes TTBL-Spiel? Je nachdem gibt es unterschiedliche Aspekte. Manche Spieler trainieren zum Beispiel am Tag vor dem Spiel nochmal sehr viel, andere sehr wenig oder sogar gar nicht. Routinen sind sehr individuell, daher sollte hier jede und jeder für sich selbst schauen, was gut funktioniert. Reflektieren ist ein wichtiger Teil im Trainingsprozess, um kontinuierlich besser zu werden, sowohl im Thema Taktik als auch in Bezug auf die Mentale Stärke.
Wie trainierst du diese Punkte im Training?
Vor allem durch spielähnliche Situationen, um diese Belastung im Kopf künstlich zu simulieren. Auch mir selbst Massstäbe und Ziele zu setzen hilft mir dabei, mit der nötigen Grundanspannung zu trainieren. Mit seinem Kumpel um ein Bier spielen kann hier ja auch bereits hilfreich sein (lacht). Ansonsten ist das Thema leider vergleichsweise schwer zu trainieren und beinhaltet viel Versuch und Irrtum und Reflexion.
Wenn man dir auf Instagram (@dang_qiu) folgt sieht man, dass du dort eine grösser werdende Fangemeinde hast. Die Zahlen steigen stetig. Wie sieht es damit aus? Macht es dir Druck zu merken, dass du jetzt mehr in der Öffentlichkeit stehst?
Eigentlich nicht, nein. Ich freue mich über die Nachrichten, die ich vor, während oder nach Wettkämpfen bekomme. Sie pushen mich und ich interagiere auch gerne mit meinen Followern, auch wenn ich zeitlich bedingt nicht alles beantworten kann. Wenn man besser wird und sich Leute plötzlich für dein Spiel interessieren, ist das ja auch eine Form der Anerkennung der eigenen Leistung und der Energie, die man investiert hat. Von daher freue ich mich im Gegenteil über jeden neuen Follower und werde auch weiterhin versuchen, zum Beispiel durch Fragerunden, nah dabei zu bleiben!
Dang, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg auf deinem Weg!
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