Elmira Antonyan – eine unendliche Tischtennis-Karriere
Die neue Schweizermeisterin, 66-jährig, setzte sich gegen 40 Jahre jüngere Konkurrentinnen durch. Sie ist die älteste Titelgewinnerin „ever“, und das in einer Sportart, bei der athletische Faktoren wie Schnelligkeit und Reaktion meist spielentscheidend sind. Eine grosse Überraschung also, ein Wunder, das mehr als blosse Bewunderung auslöst! Wie kommt es, dass sich eine Veteranin auf höchstem Niveau zu behaupten vermag? Machen wir uns entlang des sportlichen Werdeganges von Elmira auf Spurensuche.
Text: Anton Lehmann / Foto: René Zwald & Jonas von Sachs
Elmira stammt aus Armenien, ex-UdSSR. Mit Tischtennis begann sie im Alter von neun. Sie durchlief eine strenge Kaderschmiede, wobei sie sich gegen „bevorzugte Russinnen“ (so Elmira rückblickend) behaupten musste. Tägliches Training, Talent und Determiniertheit führten dann zu einem rasanten Aufstieg, der sie bis an die Spitze ihrer jeweiligen Alterskategorien führte. Bereits mit 18 war sie im sowjetischen Kader der Elite eine feste Grösse.
In den 1970er Jahren vergrösserte Elmira ihr Medaillen-Portofolio kontinuierlich. 1975 stand sie in Kalkutta /Indien im WM-Final des Mixed-Doppels. Im Frauendoppel gewann sie Bronze. Über mehrere Jahre etablierte sie sich in der Weltrangliste, hamsterte Lorbeeren in Einzel-, Doppel- und Teamkategorien. Beste Resultate auch an Ranglistenturnieren, wo sie europäisch den vierten Rang erreichte und auf Weltniveau bis auf Platz 9 vorstiess.
Nach dem (in-)offiziellen Karriere-Ende von 1984 blieb sie mit Tischtennis verbunden. Erfolgreich trainierte und coachte sie bis zur politischen Wende von 1991 das Frauenkader von Armenien, wobei sie sich gelegentlich selber als Spielerin nominierte. Elmira: „Ich war weiterhin vom Wettkampffieber infiziert.“ Ab 1996 wirkte sie sieben Jahre als Spieler-Trainerin für eine südtirolische Werksmannschaft in Bozen. In die Schweiz übersiedelte sie 2003 – sie hatte im Jahr zuvor, an den Senioren-WM in Luzern, ihren nachmaligen Mann Arthur Brunner kennengelernt.
Ihre zweite internationale Karriere, die bis heute andauert, ist ebenso von Erfolg gekrönt wie die erste. Ab 1996 beteiligte sie sich mit Erfolg an Senioren Europa- und Weltmeisterschaften. Herausragend: Einzel-WM 1996 (Ü-40) und 2006 (Ü-50), zweimal Doppel-WM (1998 und 2006) mit der Deutschen Jutta Trapp sowie Doppel EM 2005 mit unserer Theresia Földy. Bekanntlich steht ihr die Welt im Senioren-Tischtennis weiterhin offen, gibt es doch Kategorien bis zum 90. Altersjahr…
Seit 2003 setzt Elmira ihre Karriere in der Schweiz fort. Bis 2013 leitete sie Stützpunkttrainings von STT; beim TTC Wetzikon engagiert sie sich im Nachwuchsbereich sowie im ersten Männerteam. Bei den Frauen spielte sie NLA bei Young Stars Zürich und bis vor kurzem beim TTC Uster. Sie ist A20 klassiert und stellt auch bei den Männern mit ihrer A-16 Klassierung ihre Frau. „Bei Wettkämpfen gegen CH-Spielerinnen steht Rachel Moret für mich ausser Reichweite“, stellt Elmira nüchtern fest. Gegen andere wie Sonja Wicki, Rahel Aschwanden, Céline Reust, aber auch gegen Seniorinnen wie Theresia Földy, Vera Bazzi (leider schon verstorben), Johanna Schüpbach oder Sandra Busin waren bzw. sind Resultate meist schlecht prognostizierbar: „mal so oder so, je nach Tagesform“, berichtet die gutgelaunte Schweizermeisterin.
Zurück zur den diesjährigen Schweizermeisterschaften. Eigentlich hatte Elmira „keinen Plan“. Die Anfrage von Thierry Miller „willst du mit mir Doppel spielen?“ genügte, um ihren Ehrgeiz zu wecken, womit Miller (Jg. 1966) zum eigentlichen Meistermacher avancierte. In den verbleibenden zwei Monaten vor den SM bereitete sie sich akribisch vor: „In meinem Alter lasse ich mich zwar nicht gerne stressen, ich wollte aber die Chance packen… ist doch okay, gewinnen zu wollen, oder?“ Die Fortsetzung der Geschichte ist bekannt: Rachel Moret konnte ihren Titel wegen eines internationalen Einsatzes nicht verteidigen. Einige Gegnerinnen blieben den SM fern, andere schieden vorzeitig aus oder eliminierten sich gegenseitig. Elmira kämpfte sich mit viel Erfahrung bis ins Finale vor und lief dort gegen die 28-jährige Alexandra Tchalakian zur Hochform auf. Auch im Mixed-Doppel mit Miller lief es gut. Äusserst knapp wurden die beiden Oldies erst im Halbfinal von den nachmaligen Siegern Reust/Hardmeier gestoppt. Eine weitere Erfolgsgeschichte von besonderem Wert. Bereits werden Pläne für nächstes Jahr geschmiedet, wie Thierry Miller verlauten lässt.
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