Interview Elia Schmid

Elia Schmid, TTC WilElia Schmid: « In Schweden gibt es viel längere Ballwechsel als in der Schweiz, das gefällt mir besonders gut. »

Der beste Spieler des TTC Wil, welcher im Mai seinen 24. Geburtstag feiert, gab uns in dieser speziellen Zeit des erzwungenen Nichtstuns ein Interview. Seine Leistungen, seine Erfahrungen im Ausland, sein Spielstil, seine Zukunft, alles hatte Platz!

 

Text: Luca Anthonioz / Foto: René Zwald

 

Als zweifacher Schweizermeister der Elite (2014/2018), ehemaliges Mitglied der schweizerischen Nationalmannschaft der Elite, U18 Viertelfinalist der Jugend-EM 2014 in Riva del Garda (ITA) und Teilnehmer der olympischen Jugendspiele 2014 in Nanjing (CHN) kann Elia Schmid bereits auf eine beeindruckende Erfolgsgeschichte zurückblicken. Der bald 24-Jährige Berner möchte es aber nicht dabei belassen. Auch wenn sich seine Ziele geändert haben, ist seine Motivation nach wie vor intakt:

 

Normalerweise sind die besten Spieler der Schweiz im März durch die herannahenden NLA Playoffs jeweils sehr beschäftigt. Wie beinahe alles in der Schweiz, ist aber auch der Tischtennisbetrieb aufgrund des Coronavirus zurzeit auf Eis gelegt. Wie erlebst du diese Zeit?

Es ist momentan wirklich eine ganz spezielle Situation. Das plötzlich alle Hallen geschlossen werden und man praktisch keine Trainingsmöglichkeit mehr hat, ist bedauernswert. Doch in solch einer Notlage ist dies der richtige Entscheid, um die Verbreitung des Virus einzudämmen und somit die Spitäler so gut es geht zu entlasten. Klar, eine solche Ausnahmesituation habe ich, und bestimmt die meisten anderen, noch nie erlebt. Das Training geht trotzdem weiter: Mehr Krafttraining und mehr Videoanalysen als sonst. Doch auch Tischtennis spiele ich nach wie vor in privaten Räumen wo ein Tisch steht, mit verschiedenen Trainingspartnern. Wichtig dabei ist Abstand zu halten, sowie alle anderen Hygienemassnahmen zu befolgen.

 

Mit einer Bilanz von 30 Siegen zu 4 Niederlagen realisierst du zurzeit deine bisher beste Saison in der NLA. Was denkst du über den bisherigen Verlauf der Saison und wie erklärst du dir diese starken Auftritte?

Im Grossen und Ganzen bin ich mit meiner bisherigen Saison zufrieden. Die eine oder andere Niederlage hätte aber vermieden werden können. Ich will immer unbedingt gewinnen. Dieser Wille hat mich unter anderem stark gemacht. Diese Saison läuft es noch etwas besser als zuvor, da ich viel NLA-Erfahrung habe und über eine höhere Sicherheit und Konstanz verfüge als die meisten Gegner.

 

Trotz deiner hervorragenden Saison hast du an den CH-Meisterschaften eine grosse Enttäuschung erlebt. Das frühe Ausscheiden im 1/16-Final scheint dich sehr getroffen zu haben, stimmt das?

Das war wohl, immer im Verhältnis zu meinem Niveau gesehen, das schlechteste Spiel meines Lebens. Ich hatte überhaupt kein Gefühl für den Ball, spielte ultra passiv und machte unzählige unforced errors. Ein Spiel zum Vergessen. Der Frust musste nach dem Spiel raus. Ich war über meine Nichtleistung sowas von enttäuscht. Mein Ziel war es, den dritten Einzeltitel zu holen. Doch mit so einer miserablen Nichtleistung hast du keine weitere Runde verdient. Ich bereue meine Aktion nach dem Spiel, doch mit diesen starken Emotionen ist es halt passiert. Wahrscheinlich bin ich nicht der erste Sportler in der Geschichte, der einen Schläger demoliert hat. Man muss die Aktion also auch nicht überbewerten, oder gar schadenfreudig werden, wie es leider in den sozialen Medien vorkam. Trotzdem, sorry für den Ausbruch. Ich gebe nächstes Jahr wieder Vollgas und strebe den dritten Einzeltitel an! Auch mit Wil will ich nächste Saison den Titel holen.

 

Dank des Systems der Doppellizenz spielst du gleichzeitig in der Schwedischen Meisterschaft mit. Kannst du uns ein wenig darüber erzählen?

Endlich! Endlich dürfen Schweizer Ligaspieler sich in einem anderen Land messen. Tom Maynard von Tabletennisdaily hat mich kontaktiert und gefragt, ob ich seinem Team in Schweden zum Aufstieg in die zweite Liga verhelfen möchte. Ich habe sofort zugesagt. Nun spielte ich also diese Saison zusammen mit Tom, dem Polen Kamil und dem Schweden Axel bei Norbergs BTK in der «First Divison». Dies ist die dritte Stärkeklasse in Schweden. Ebendiese Klasse teilt sich in vier Gruppen auf: Nord, Ost, Süd und West. Wir landeten in der Gruppe Ost. Die vier Sieger der jeweiligen Gruppe treten an einem Wochenende gegeneinander an und machen zwei Aufstiegsplätze unter sich aus. Die beiden Aufsteiger spielen dann in der Superettan (2. Stärkeklasse). Die Superettan besteht nur noch aus einer Gruppe, sowie auch die erste Stärkeklasse, die Pingisligan. Das Ziel wurde leider weit verfehlt. Meine Teamkollegen konnten zu wenige Siege einfahren um Norberg auf Aufstiegskurs zu bringen. Ich bin mit einer 27:1 Bilanz die Nummer 1 der Liga. Das Niveau würde ich zwischen der NLA und der NLB einstufen. Es gibt aber einige sehr starke Spieler in dieser Liga, die auch in der NLA weitestgehend reüssieren würden. Es war eine unglaubliche Erfahrung mit super Teamkameraden. In Schweden gibt es viel längere Ballwechsel als in der Schweiz, das gefällt mir besonders gut. Leider stehen wir nur auf dem dritten Platz und die Saison ist aufgrund der Epidemie abgebrochen worden. Momentan bin ich im Gespräch für die nächste Saison mit Vereinen aus der Pingisligan (Niveau weit über NLA) und der Superettan (Niveau über NLA).

 

Neben deinen Leistungen hinterlässt auch dein einzigartiger Spielstil einen bleibenden Eindruck. Kannst du uns erklären, wie du zu diesem Stil gekommen bist? Hat sich dein Spielstil seit deiner Kindheit stark verändert? Möchtest du ihn noch weiterentwickeln?

Ich begann im Alter von fünf Jahren mit Tischtennis. Zuerst stand ich auf einem Stuhl, um überhaupt über die Platte zu sehen (er lacht).

Ohne nachzudenken spielte ich die Rückhand mit dem Vorhand Belag. Ich fand es einfach angenehmer, den Schläger so zu halten, ganz simpel. Mein Vater fand das von Beginn weg faszinierend und wollte mir die Technik bewusst nicht anders beibringen, weil der Spass im Vordergrund stand. Entgegen der Erwartung vieler Experten von Swiss Table Tennis, schaffte ich den nationalen Durchbruch früh und wurde mit dieser Technik viermal hintereinander U13, respektive U15 Ranglisten Top 8 Sieger und Junioren Schweizermeister. Mit 17 Jahren gelang es mir, mit meiner unkonventionellen Blocktechnik, den Elite Schweizermeistertitel zu holen. Ich habe den Stil stetig weiterentwickelt, sei es mit Schnitt- oder Kickblocks. Zudem spiele ich mehr Bälle auch mit dem tatsächlich für die Rückhand gedachten Belag. Ich möchte mich immer noch weiterentwickeln. Mein Aufschlag- und Rückschlagspiel will ich in Zukunft noch stark verbessern.

 

Welche Ratschläge gibst du jungen Spielern und/ oder Trainern in Bezug auf Individualität und Kreativität beim Erlernen der Basistechnik?

Ich habe kürzlich den J+S Leiterkurs absolviert mit den zwei herausragenden Coaches Tobias Klee und Lars Kabitz. Sie haben mir eine völlig neue Sichtweise auf unsere Sportart aufgezeigt. Ich gebe selber in Wil Nachwuchs- und Erwachsenentraining und integriere dabei das Gelernte vom Kurs. Das heisst, ich bringe jedem Spieler und jeder Spielerin die «normale» Technik bei, bin aber offen für kreative Varianten (er lacht). Diese Vorgehensweise rate ich jedem Trainer.

 

Welches sind heute deine beruflichen und sportlichen Ziele?

Zurzeit bewerbe ich mich auf eine KV-Stelle. Das Rechtsstudium war mir einiges zu trocken, da habe ich frühzeitig die Reissleine gezogen. Neben der Arbeit möchte ich so viel Tischtennis wie möglich spielen. Mich reizt es auch, wieder internationale Turniere zu spielen, aber auf eigene Faust. Beispielsweise spiele ich bald einige Challenger Series Turniere in Ochsenhausen. Ich werde mir einen Coach suchen. Ich habe da schon zwei in Aussicht…

 

 

 

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