Interview Samir Mulabdic

Samir Mulabdic & Pedro Pelz«Seit Jahren sind die Schweizer Spieler im Weltranking nicht so gut gewesen.»

Nach der grossartigen Leistung von Rachel Moret an den Olympischen Spielen in Tokio wollte Sidespin eine Bestandsaufnahme der Situation des Spitzensports in der Schweiz machen. Deshalb haben wir uns mit Samir Mulabdic, dem Chef Leistungssport von Swiss Table Tennis, getroffen.

 

Text: Luca Anthonioz / Foto: René Zwald

 

Hallo Samir. Wie empfindest du diese erste olympische Erfahrung als Trainer und was hältst du von Morets Leistungen während dieser Olympiade?

S.M.: «Eine grossartige Erfahrung die man mit keiner anderen Erfahrung in meiner Trainerlaufbahn vergleichen kann.

Bei Rachel hat in Tokyo viel gepasst. Die Entwicklung der letzten Monate hat sie zum richtigen Zeitpunkt bei den olympischen Spielen zeigen können. Es hat Spass gemacht sie zu betreuen. Sie war in vielen Bereichen gut. Das wichtigste ist aber gewesen, dass sie mental sehr entschlossen war und jedes einzelne Spiel geniessen konnte.»

 

Kann der Spitzensport vom Erfolg von Moret profitieren? Können wir bereits positive Auswirkungen feststellen?

S.M.: «So direkt nicht. Die positiven Feedbacks, Medienpräsenz und die allgemeine Begeisterung in der Tischtennisschweiz wegen Rachels guten Auftritts in Tokyo können bestimmt in den kommenden Jahren nachhaltig helfen um den Spitzensport Schritt für Schritt weiter zu entwickeln. Und dadurch auch mehrere jungen Spieler*innen für den Spitzensport zu begeistern. Für die neuen Spieler*innen die kommen, wird es einfacher sein den Weg nach oben zu schaffen da wir alle in dieser Zeit unsere positiven Erfahrungen und hoffentlich auch Entwicklungen gemacht haben.»

 

Wie steht es um die nächsten Generationen, abgesehen von Moret, die bald 32 Jahre alt sein wird?

S.M.: «Bei den Jungen können wir seit Jahren den positiven Entwicklungstrend feststellen. Allein bei der Letzten JEM im Juli 2021 in Varaždin haben sich beide Knaben Teams, U15 und U18, für die erste Division qualifiziert (besten 16 Nationen in Europa). Bei den Knaben ist die Konkurrenz am grössten und das zeigt uns eine gute Entwicklung und gute Arbeit in der Schweiz.

Ausserdem haben wir einen Timothy Falconnier auf Platz 18 der Weltrangliste bei den U15 gehabt. Dazu kommen noch Elias Hardmeier und Mauro Schärrer die Top 50 und Top 60 bei U19 gewesen waren. Seit Jahren sind die Schweizer Spieler im Weltranking nicht so gut gewesen.»

 

Was hat zu den guten Ergebnissen in Tokyo und der Entwicklung der Knaben geführt?

S.M.: «Nachhaltigkeit. Seit 2010 hat STT die Idee «Spitzensport Tischtennis» verfolgt und ein paar Jahre danach gab es das STT Leistungssportkonzept. Es gab neue A, B, C Kaderstrukturen. Die alljährlichen PISTE-Tests wurden eingeführt und dementsprechend wurden die Spieler in A, B oder C Kader eingestuft.

Die Förderung der Spieler, ob Nachwuchs oder Elite, wurde mit dem Ziel «Verbesserung der internationalen Konkurrenzfähigkeit» gemacht.

Alle diese Änderungen und Entwicklungen im Verband wurden unter der Leitung des damaligen Chef Leistungssport Georg Silberschmidt gemacht. Ohne seinen grossen Einsatz und Unterstützung wäre heute vieles nicht möglich gewesen.

Und natürlich darf man nicht die gute Arbeit in den Clubs vergessen. Die ist auch mit den Jahren viel besser geworden.»

 

Rachel Moret erreichte das 1/16-Finale bei den Olympischen Spielen in Tokio / Credit: ITTF

Rahel Aschwanden und Céline Reust haben diesen Sommer beschlossen, ihre Reise mit dem Schweizer Team zu beenden. Steht das Schweizer Frauenteam in den kommenden Jahren vor grossen Herausforderungen?

S.M.: «In der Tat. Allgemein gibt es weniger Mädchen die den Leistungssport betreiben. Seit ein paar Jahren haben wir mit Trainerin Sonja Wicki ein Mädchenprojekt gestartet das in den nächsten Jahren weiterentwickelt werden muss. Mit dem Ziel, dass wir wieder eine Damen Mannschaft haben, die sich für die Team EM oder WM qualifizieren kann.»

 

Es scheint schwierig zu sein, Athleten davon zu überzeugen, den professionellen Weg im Tischtennis einzuschlagen. Warum ist das so?

S.M.: «Grosse Opfer muss man bringen. Man muss auf viele Sachen aus dem normalen Leben verzichten und sich jahrelang auf das ein Ziel konzentrieren. Man weiss nicht, wohin der Weg führt. Viele Sachen sind ungewiss. Es gibt viele die es versuchen, den Platz an der Spitze gibt es für nur wenige. Erfreulicherweise gibt es immer mehr junge Sportler in der Schweiz, die sich mit Tischtennis sehr professionell beschäftigen. Die Konkurrenz innerhalb der Nationalmannschaft bis U23 ist noch nie so gross gewesen.»

 

Was sind die wichtigsten Ziele für diese Saison? Und auf längere Sicht?

S.M.: «Bei der Elite ist es die Einzel WM in den USA. Sie findet im November 2021 statt. Rachel hat sich als einzige für die WM qualifiziert und wir hoffen, dass sie eine gute Auslosung bekommt und ihre guten Leistungen aus Tokyo wiederholen kann.

Bei der U21 EM ist das Ziel, dass die beiden Spieler Dorian Girod und Pedro Osiro sich für die Hauptrunde qualifizieren. Die U21 EM findet auch im November 2021 statt.

Bei der JEM im Juli 2022 ist das Ziel, dass ein Team die besten 16 und eventuell ein Spieler die besten 16 oder 32 im Einzel erreicht. Es hat Generationenwechsel gegeben und wir müssen schauen wie sich die neu gebildeten Teams zurechtfinden.

Rachel Moret bleibt weiterhin dem Spitzensport erhalten. Dementsprechend sind die olympischen Spiele in Paris 2024 das grosse Ziel.

In der nächsten Zeit wird ein Arbeitskonzept und eine Zielsetzung bis 2028 erarbeitet damit wir auch bei den olympischen Spielen 2028 gute Chancen haben, einen Schweizer oder eine Schweizerin anfeuern zu dürfen.

Die Arbeit, die man 2010 angefangen hat, muss fortgesetzt werden.»

 

 

 

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