Schweizer Nationalmannschaft

Rahel Aschwanden, Céline Reust, Rachel Moret et leur coach lors des CE en 2017Aschwanden und Reust hängen ihre Nationaltrikots an den Nagel

Ein neues Kapitel in der Damen-Nationalmannschaft hat begonnen. Rahel Aschwanden und Céline Reust haben beschlossen, ihr Abenteuer in der Nationalmannschaft zu beenden.

 

Text: Luca Anthonioz / Fotos: STT

 

Rahel Aschwanden und Céline Reust sind zwei der besten Schweizer Spielerinnen der letzten zehn Jahre. Ihre Erfolgsbilanz bei den nationalen Meisterschaften ist eine Erinnerung daran. Aschwanden gewann zwei Titel (2013 und 2015) als Elite Schweizer Meisterin, acht Titel im Damendoppel an der Seite von Rachel Moret und drei Titel im gemischten Doppel. Reust stand in allen Serien schon mehrfach auf dem Podium. Ausserdem gewann sie 2018 Gold im Damendoppel an der Seite von Salomé Simonet.

Nach vielen Jahren im Nationaltrikot, unterwegs auf der ganzen Welt, haben sie im Abstand von einigen Monaten beschlossen, ihre internationalen Karrieren zu beenden. Sidespin hat sich mit den beiden Spielerinnen getroffen, um herauszufinden, warum sie diese Entscheidung getroffen haben und was sie über ihre Erfahrungen denken.

 

Warum habt ihr euch entschieden, nicht mehr für die Nationalmannschaft zu spielen?

R.A. : «Die Entscheidung nicht mehr für die Nationalmannschaft zu spielen und allgemein den Fokus nicht mehr nur auf dem Tischtennissport zu haben, hatte mehrere Gründe. Nach sechs intensiven Profijahren in Österreich, Schweden und Frankreich verspürte ich, dass es der richtige Zeitpunkt ist für einen neuen Lebensabschnitt. Ich merkte, dass ich nicht mehr zu 100% für zwei Trainings am Tag brenne und das Olympiaziel war aufgrund von Verletzungen unrealistisch geworden. Mit dieser Entscheidung hatte ich mehr Zeit für Freunde und Familie, konnte mein Psychologiestudium abschliessen und ich konnte anderen Sportarten mit vollem Elan nachgehen. Heute habe ich Freude daran, meine Erfahrungen jungen Spieler:innen vom MTTV weiterzugeben und auch J+S Kurse zu leiten.»

 

C.R. : «Bei mir sind es mehrere Gründe, die mich zu diesem Entscheid bewegt haben. Einerseits spielte die Corona-Pandemie mit diversen Absagen von internationalen Turnieren (bspw. die WM in Busan) eine grosse Rolle. Dazu kommen die Regeländerungen im internationalen Tischtennis. Für uns Schweizer wird es immer teurer und schwieriger an internationalen Grossanlässen teilzunehmen und Weltranglistenpunkte zu sammeln. Ohne entsprechendes Ranking keine Teilnahme an internationalen Wettkämpfen. Andererseits nimmt auch mein Studium immer mehr Zeit in Anspruch. Es ist immer schwieriger geworden, Sport und Ausbildung unter einen Hut zu bringen. Da ich eine Person bin, die keine halben Dinge macht, habe ich mich entschieden, meinen Fokus in meine berufliche Zukunft zu richten. Zusammenfassend: Bei mir ist Aufwand und Ertrag auf sportlicher Ebene leider nicht mehr aufgegangen. Die Entscheidung ist mir sehr schwergefallen.»

 

Wie beurteilt ihr eure Erfahrungen mit der Schweizer Mannschaft?

R.A. : «Ich kann mich noch an meinen ersten Einsatz mit der Schweizer Nationalmannschaft erinnern. Mit 12 Jahren durfte ich nach Lorraine an ein Turnier fahren und ich habe keinen einzigen Satz gewonnen J. Dies hat mich angespornt und so habe ich meine Jugendzeit hauptsächlich in der Halle verbracht. Zurückblickend waren es unglaublich intensive, freudige, anspruchsvolle, erfolgreiche, spannende, unvergessliche und vor allem lehrreiche Erfahrungen, die ich in diesen vielen Jahren mit der Nationalmannschaft sammeln durfte. Heute kann ich in unterschiedlichsten Alltagssituation davon profitieren. Auch die Begegnungen und Freundschaften mit Leuten von der ganzen Welt waren und sind immer noch wertvoll.»

 

C.R. : «Die Erfahrungen mit der Schweizer Nationalmannschaft waren für mich die grösste Lebensschule, die man erhalten kann. Ich habe persönlich – wie auch sportlich – unglaublich viel für mich selbst gelernt und diese Erfahrungen haben mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Durch die internationalen Wettkämpfe habe zudem ich sehr viele Ecken der Welt gesehen, konnte Freundschaften schliessen und habe viele unterschiedliche Kulturen kennengelernt. Es sind Erfahrungen, ob gute oder schlechte, die ich auf keinen Fall missen möchte.»

 

Was ist eure beste Erinnerung?

R.A. : «Die Silbermedaille in der 2. Division an der Team-EM 2017 in Luxemburg war ein Highlight. Da haben Rachel, Céline und ich eine tolle Teamleistung gezeigt und erst im Finale gegen die Sloweninnen verloren. Natürlich gibt es auch unzählige lustige Erinnerungen, die sich neben dem Tisch abspielten, sei es an Turnieren, in Trainingslagern, an Meisterschaftsspielen, auf Reisen oder an der WSA (Werner Schlager Academy).»

 

C.R. : «Ich glaube meine sportliche Karriere könnte man nicht auf eine beste Erinnerung hinunterbrechen, da ich unzählige Erlebnisse in bester Erinnerung habe. Besonders in guter Erinnerung bleibt mir jedoch meine erste Elite Team WM in Tokyo, sowie die guten Resultate an der Elite EM in Luxemburg und mein Sieg am EM Quali-Spiel in Magglingen gegen Sara Ramirez aus Spanien.»

 

Sonja Wicki, Rahel Aschwanden, Rachel Moret & Céline Reust

Wie beurteilt ihr die aktuelle Situation im Schweizer Tischtennis, insbesondere bei den Damen?

R.A. : «Bei den Herren gibt es heute einige junge Athleten, die viel ins Tischtennis investieren und international (in ihrer Altersklasse) vorne mitmischen. Diese Breite an konkurrenzfähigen Spielern gab es aus meiner Sicht noch nie im Schweizer Tischtennis. Bei den Damen sieht es leider ein wenig anders aus. Im Vergleich zu anderen Nationen oder auch zu den Schweizer Herren gibt es nur wenige, die intensiv Tischtennis spielen. Umso wichtiger sind Damenförderuns-Projekte wie z.B. das Girls-Ping Projekt von Nina Gutknecht oder die Frauen-Multisportcamps in der Westschweiz von Alexandre Betemps. Auch Sonja Wicki lebt das Mädchentischtennis mit ihren kreativen Ideen auf.»

 

C.R. : «Die momentane Situation im Schweizer Damen Tischtennis ist sicherlich nicht optimal. Bis die talentierten jungen Mädchen nachrücken und auf dem Elite-Niveau mithalten können, wird einige Jahre in Anspruch nehmen. Daher besteht nun leider – ohne Rahel und mich – eine Lücke, was insb. für Rachel schade ist. Ich denke aber, dass diese Lücke nicht einfach per Zufall entstanden ist. In meinen Augen liegt das Problem darin, dass man über mehrere Jahre hinweg keine Breite (mehrere Damen im ähnlichen Alter) gefördert hat, sondern jeweils nur Einzelpersonen. Dieser Umstand führt dazu, dass das ganze Kartenhaus – bei Rücktritt oder Verletzung einzelner Personen – zusammenfällt. Ich bin mir auch bewusst, dass das meiste eine Geldfrage ist (mehr Geld/Subvetionen = breitere Förderung). Ich hoffe trotzdem, dass in Zukunft ein Team (mit Ersatzspielern) an Stelle von Einzelpersonen gefördert wird. Ich bin mir sicher, dass ein solcher Ansatz nachhaltiger wäre und zudem den Spielerinnen mehr Spass macht.»

 

Welchen Rat könnt ihr der künftigen Generationen geben, wenn ihr an die Zukunft denkt?

R.A. : «Für mich ist ein Faktor von Talent auch der Trainingsfleiss. Matilda Ekholm hat mal gesagt: «Einfach Geduld und Ausdauer haben, irgendwann klappt es plötzlich.» Nebst vielen Stunden an der Platte darf auch der Spass und die Freude am Sport nicht fehlen, ansonsten hört man ziemlich schnell wieder damit auf. Have fun!»

 

C.R. : «Zukünftigen Generationen möchte ich mit auf den Weg geben, dass sich Durchbeissen und Kämpfen immer lohnt, egal in welcher Hinsicht. Dass man sich selber aber auch nicht zu viel Druck machen soll, da man sich sonst nur selbst im Weg steht. Der Spass am Sport soll trotz allem überwiegen, was man sich immer wieder in Erinnerung rufen soll.»

 

 

 

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