Sidespin-Artikel: Körpersprache und Emotionen

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Sidespin-Artikel: Körpersprache und Emotionen

„Körperhaltung = Geisteshaltung!“ besagt ein Sprichwort aus der Kaiserzeit – und wie viele andere, teils schon sehr alte Sprichwörter aus dem Alltagsgebrauch der Menschen hat auch dieses Sprichwort seine Evidenz.

 

Der nachfolgende Text befasst sich unter anderem damit, wie sich die Körpersprache auf die eigenen Emotionen auswirken kann.

 

 

Text: Dirk Lion, Fotos: zvg/René Zwald

 

Wir reagieren stark auf non-verbale Signale

 

Wir Menschen bilden uns oft innerhalb weniger Sekunden ein Urteil über andere – und dieses enthält öfter, als es ein statistischer Zufallstreffer erklären würde, viele richtige Elemente. Mit diesem Phänomen, das „Thin slices“ genannt wird, liessen sich beispielsweise die Ergebnisse amerikanischer Gouverneurswahlen zu 70% alleine dadurch vorhersagen, dass Versuchspersonen für wenige Sekunden ein Foto oder eine kurze Videosequenz der Kandidaten sahen. Das menschliche Urteilsvermögen ist seit Urzeiten darauf gepolt, auch (und besonders) non-verbale Verhaltensmerkmale zu erkennen und schnell zu kategorisieren. In früheren Zeiten war dies von größter Relevanz, denn eine falsche Entscheidung konnte mitunter eine schwere Verletzung oder gar den Tod bedeuten.

 

Power Poses: In zwei Minuten zu mehr Erfolg

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Berühmt sind beim Thema Körpersprache vor allem die sogenannten „(High) Power Poses“. Dabei werden für zwei Minuten bestimmte Körperhaltungen eingenommen: Aufrechtes Stehen oder Sitzen mit geöffneten oder hinter dem Kopf verschränkten Armen (siehe Foto). In einer Untersuchung von Amy Cuddy, nahmen die Versuchspersonen der Gruppe A jene Power Poses ein, während die Personen der Gruppe B die Schultern hängen liessen oder die Arme verschränkt vor sich hielten („Low Power Poses“). Im Anschluss mussten die Personen aus beiden Gruppen – ohne es vorher zu wissen – spontan eine Rede halten. Eine unabhängige Jury, welche nicht über den Versuch Bescheid wusste, bewerteten die Reden im Anschluss. Das Ergebnis war eindeutig: die Reden derjenigen, die zuvor eine „Power Pose“ eingenommen hatten, wurden eindeutig besser bewertet.

 

Ein ähnlicher Versuch, bei welchem die Teilnehmenden im Nachgang ein Bewerbungsgespräch führten, bestätigte dieses Ergebnis: Die Gruppe, welche vorher zwei Minuten lang die „Power Poses“ eingenommen hatte, bekamen den Job häufiger, da ihr Auftreten insgesamt deutlich positiver bewertet wurde. Entscheidend war dabei laut Aussage der Arbeitgeber nicht, welche Qualifikationen oder Vorerfahrungen jemand hatte, sondern die „Präsenz“ der Person: Authentizität, Zuversichtlichkeit, Passion, Enthusiasmus.

and the researchers also asked the subjects to assume low power poses for 2 minutes

Unsere Körpersprache beeinflusst unseren Hormonhaushalt

 

Warum führen zwei Minuten „Power Posing“ zu solchen Ergebnissen? Zu tun hat dies mit den beiden Hormonen Testosteron (das sogenannte „Dominanz-Hormon“) und Cortisol („Stress-Hormon“). Bei den „Power Posern“ stieg der Testosteron-Spiegel um etwa 20 %, der Cortisolspiegel sank um rund 25 %. Bei den „Low Power Posern“ sank der Testosteronwert hingegen um 10%, der Cortisolspiegel stieg um 15 %. Menschen, welche die Power-Posen einnahmen, verspürten also deutlich mehr Selbstsicherheit und waren gleichzeitig resistenter gegen Stress. Zugleich steigt nach den „High Power Poses“ die Bereitschaft, ein Risiko einzugehen. Fazit aus diesen – und weiteren –Untersuchungen:

  • „Our body can change our mind“ (Unser Körper kann unser Denken verändern)
  • „Our nonverbals govern how we think and feel about ourselves” (unser nonverbales Verhalten bestimmt wie wir über uns denken und fühlen)

Eine andere Untersuchung im Tennis, welche die Kleidung des Gegners (sportartspezifisch vs. normale Sportbekleidung) gemeinsam mit der Körpersprache untersuchte, fand heraus, dass einzig die Körpersprache einen wahrnehmbaren Einfluss auf die Einschätzungen des Gegners hat.

 

Tischtennis und Körpersprache

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Dank High-Power Posen zum Erfolg

Diese und weitere Untersuchungen belegen einen klaren Zusammenhang der Körpersprache auf die Emotionen der betreffenden Person selbst – sowie, am Rande, auch auf andere. Dies bewusst als Mittel einzusetzen, ist eine Kunst, die erlernt werden kann – selbst wenn man sich vielleicht gerade nicht so fühlt. Stichwort: „Fake it until you make it“!

 

Für die Trainings- und Coachingpraxis sollte dies – nebst Versuchen, dieses Thema in den Aufmerksamkeitsfokus unserer Spielerinnen und Spieler zu rücken – bedeuten, bewusst auf die Körpersprache von uns selbst und unseren Spielern zu achten. Zusammengesackte Haltungen auf der Bank (am besten noch am Handy) wenige Minuten vor Spielbeginn sind tabu. Körpersprache ist ein Thema, auf das wir alle tagtäglich hundertfach reagieren, das wir einordnen, selbst hervorbringen und das wir geschickt für uns zu nutzen wissen sollten.

 

Fazit: Egal ob Sie bald zu einem Vorstellungsgespräch müssen oder am Tischtennisisch eine schwierige Situation zu bewältigen haben: Machen Sie sich nicht klein! Ihr Testosteron- und Cortisolwert werden es Ihnen danken – und die entsprechende Reaktion des Gegenübers stellt sich auch vorteilhafter ein.

 

Anmerkung des Autors: TED Talks heißt ein Format, das inzwischen ein Millionenpublikum fasziniert. Dabei stellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in maximal 18 Minuten dem Publikum ihr Forschungsthema vor: Leicht verständlich, toll aufbereitet, nachvollziehbar – und oftmals sehr, sehr witzig. Zum Versuch mit den „Power Poses“ geben Sie bei YouTube „Amy Cuddy Power Poses“ ein und wählen ggf. Untertitel aus. Viel Spaß!

 

Literatur

  • Cuddy, A.: Your body language shapes who you are: https://www.youtube.com/watch?v=Ks-_Mh1QhMc (aufgerufen am 04.06.2017)
  • Cuddy, A./C. Wilmuth, Carney, R.: The Benefit of Power Posing Before a High-Stakes Social Evaluation. Harvard Business School Working Paper, No. 13-027, September 2012
  • Greenlees, I./Bradley, A./Holder, T./Thelwell, R.: The impact of opponents’ non-verbal behaviour on the first impressions and outcome expectations of table-tennis players, in: Psychology of Sport & Exercise 6 (2005), S. 103–115

 

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