Tischtennis-Theorie Juli/August 2019

IMG 0023Abwehrausbildung von Kindern? Mut zur Abwehr!

In dieser Sidespin-Ausgabe geht es weiter mit der Serie zu Abwehrspielern. Diesen Monat: Wie bringe ich Nachwuchsspielern das Abwehrsystem näher?

 

Text und Video: Dirk Lion

 

Fragt man Trainerinnen und Trainer in ihrer Trainerausbildung, ob sie in ihrem Verein Kinder zu Abwehrspielern ausbilden, gehen meist nur wenige Hände nach oben. Als Gründe werden immer wiederkehrend genannt:

  • Zu wenig Wissen über die korrekte Technik
  • Zu wenig Wissen über Übungen zum Erlernen der Abwehr
  • Selbst Angriffs-/Allroundspieler, daher werden die Kinder auch so ausgebildet
  • Interesse da, aber zu ängstlich, es auszuprobieren
  • Zu wenig Wissen über die korrekte Belag-/Holzwahl

 

Video von Dirk Lion:

Tischtennis-Theorie Juli_August 2019

 

 Liest man in der Literatur, so stösst man immer wieder darauf, dass man Kindern nicht dann lange Noppen geben sollte, wenn es mit „normalen“ Belägen nicht funktioniert. Ich halte diese These für zumindest teilweise falsch. Natürlich wäre es schön, wenn wir aus den besseren Gründen Abwehrspieler ausbilden: Sie sind athletisch, können auch alle Angriffsschläge, haben ein gutes taktisches Verständnis und nicht: Sie können nur schupfen, bekommt den Angriffsschlag nicht hin oder: es gibt noch keinen Abwehrspieler in der Gruppe. In der Praxis erscheint es mir zumindest ein Mittelweg aus den „guten“ und „weniger guten“ Gründen zu sein, warum Trainer Kinder auch zu Abwehrspielern ausbilden. Die Vorteile für das Ausbilden von Abwehrspielern liegen auf der Hand: Der Rest der Gruppe erlernt von Anfang an das Spiel gegen Abwehr, die Variation der Spielstile erhöht automatisch die Kenntnisse und Fertigkeiten aller. Klar ist: Ein Kind muss mit dem „Sonderstatus“ vor allem zu Beginn seiner Ausbildung zurechtkommen. Hier ist der Trainer oder die Trainerin mit seiner Sozialkompetenz besonders gefordert, dies richtig und wiederkehrend zu erklären. Das Erlernen von Abwehr sollte nicht als Bestrafung verstanden werden, sondern – im Gegenteil – als ein positiver Beitrag für alle in der Gruppe wahrgenommen werden!

 

Das Interesse ist spätestens nach Anschauen einiger Videos oder beim Besuch eines Bundesligaspieles mit Abwehrspieler geweckt. Die Basics (siehe Foto) sind allen Kindern schnell gezeigt (und ohne Ball durchgeführt). Dies können Sie auch gerne mit der ganzen Gruppe machen und einen Themenabend „Abwehr“ durchführen, denn auch ein Angreifer sollte in Grobzügen die richtige Technik beherrschen! Diese besteht aus der Abfolge von vier Schritten und sollte den Kindern auch immer wieder verbal mitgegeben werden beim Üben:

  • “Schläger hoch“:

Der Schläger ist in der Grundstellung vor dem Körper, allerdings höher als bei einem Offensivspieler!

  • „Öffnen“:

Bei Rechtshändern: „Die rechte Fussspitze zeigt nach rechts“ (Der Fuss ist also parallel zur Grundlinie des Tisches) bei Vorhandabwehr, „die linke Fussspitze zeigt nach links“ bei Rückhandabwehr. Damit werden automatisch auch Schulter und Hüfte geöffnet, was überhaupt erst den Raum für die Ausführung der Abwehrbewegung schafft.

  • „Schneiden“:

Schlagbewegung mit leicht geöffnetem Schlägerblatt von oben (Schulter bzw. Kopfhöhe) nach vorne unten. Dabei den Ball streifen („streicheln“, „einwickeln“). Wieviel Unterschnitt der Ball erhält, hängt vor allem vom Einsatz des Unterarmes (Streckung im Ellbogen) und des Handgelenks (Supination) ab. Handgelenk- und Unterarmeinsatz sind auch die einzige Möglichkeit, um bei konstantem Schlägerblattwinkel (geöffnet), den ankommenden Topspin flach zu retournieren.

 

Das Schlägerblatt ist geöffnet. Daher könnte man einem Kind sagen: „Du musst hier den Ball mit einer schnellen Bewegung nach unten zwingen“.

  • „und zurück“:

Abwehr ist vornehmlich ein tischfernes Spiel, so dass ein grösserer Bereich abgedeckt werden muss. Ein Verharren, „stehen bleiben“, in einer Ecke ist nicht sinnvoll. Das Zurückgehen in die Grundstellung ist daher ein absolutes Muss und sollte bei jedem Schlag überprüft und ggf. angemahnt werden, damit es von Anfang an korrekt mitgelernt wird.

 

Und wenn sie diese Punkte beherzigen, könnte ihr Kind nach einem halben Jahr vielleicht ebenfalls so abwehren, wie im Video – oder vielleicht sogar noch deutlich besser?

In diesem Sinne: Viel Mut und Erfolg bei der Ausbildung von Abwehrspielern!

 

Literatur:

Volker Ziegler: Ausbildung von Abwehrspielern. Trainerbrief 03/2000, S. 18-22

 

 

Weitere Artikel in dieser Sidespin-Ausgabe:

Plastikbälle: Messungen zeigen – der Einfluss wird wohl überschätzt

Bilanz der JEM: Wermutstropfen U18-Team

Girls Ping und Little Tokyo: Rück- und Ausblick

Tessiner Ecke: Vorstellung des Topspin TT Chiasso