«Die Zukunft unseres Sports liegt in den Händen der Vereine».
Text: Luca Anthonioz / Foto: René Zwald
Der heutige STT-Präsident Nicolas Imhof sorgte für Überraschung, als er im Dezember 2018 mitteilte, dass er sich im September 2019 nicht für eine 3. zweijährige Amtszeit zur Verfügung stellen wird. Kurz vor seinem Weggang wollten wir mit ihm Bilanz ziehen.
Sie verabschieden sich nach einem vierjährigen Präsidium. Für einige ist das zu früh.
Ja, aber andere sind vielleicht der Meinung, dass es zu spät ist (lacht). Spass beiseite: die durchschnittliche Amtszeit meiner Vorgänger beträgt 3 Jahre. Ich führte somit das Präsidium 1 Jahr länger als der Durchschnitt! Dieser sehr tiefe Durchschnitt sollte uns aber betroffen machen: es ist kein Zufall, wenn sich die Präsidenten häufig ablösen und dabei handelt es sich nicht unbedingt um eine gute Sache.
Was möchten Sie damit sagen?
Nehmen wir mein persönliches Beispiel. Ich dachte, dass eine 6- oder 8-jährige Amtszeit ideal wäre, um die wichtigen Reformen erfolgreich durchzuführen und den Verband in jene Richtung zu lenken, die mir nützlich scheint. Ich werde diese Funktion aber nicht 6 oder 8 Jahre ausüben, weil sie eine zu grosse Belastung mit sich bringt. Unsere Strukturen sind vielleicht für die heutige Zeit mit der intensiven beruflichen Belastung nicht mehr geeignet. Oder sie erlauben nur selbständig erwerbstätigen Personen oder jungen Rentnern, das Präsidium zu übernehmen.
Sie verlassen die Funktion also aus beruflichen Gründen?
Teilweise, denn das Jahr 2020 wird für mich als Chef des kantonalen Sportamts besonders streng: innert weniger Monate organisiert der Kanton Waadt die Olympischen Jugendspiele, die Weltmeisterschaften in Hockey, im Strassenradsport und in Pétanque. Doch das ist nicht der Hauptgrund. Es gibt ein Engagement- und Strukturproblem.
Könnten Sie Ihre Gedanken ein bisschen genauer erklären?
Ich sagte immer, dass ich diese Funktion nur ausübe, wenn ich auf kompetente Leute zählen kann, die mich dabei unterstützen. Diese Leute waren nicht zahlreich genug. Deshalb musste ich zu viel Arbeit und zu viel Verantwortung übernehmen. Beim Lancieren eines neuen Projekts (Schreiben an die neuen Vereinspräsidenten, Clubforum, Lancieren einer Breitensportkommission, usw.) musste ich meistens die Idee vorlegen und sie zu einem grossen Teil auch selbst umsetzen. STT verfügt somit über eine zahlenmässig ungenügende strategische Führung, die sich um operative Geschäfte kümmern muss. Die Geschäftsstelle des Verbands in Ittigen hat ausserdem nicht genügend personelle Ressourcen, um zusätzliche Projekte umfassend zu betreuen. Mit der Zeit, und weil ich mir zu viel aufbürdete – so übernahm ich beispielsweise auch den Vorsitz des Organisationskomitees des Tischtennis Swiss Open in Lausanne, dem heutigen Top 16 in Montreux – bin ich der Sache wohl etwas überdrüssig geworden. Ich hätte weitermachen können, wenn ich kein Projekt mehr betreut oder lanciert, sondern nur die Sitzungen vorbereitet und geleitet hätte. Doch dies reicht bei weitem nicht aus, um unseren Verband auf Entwicklungskurs zu bringen.
Wie kann dieses Problem gelöst werden?
Der Zentralvorstandsausschuss und der Zentralvorstand machen diesbezüglich Überlegungen, und Vorschläge werden zurzeit ausformuliert. Vermutlich wird es zu einem ZVA führen, der vermehrt strategisch und weniger operativ ausgerichtet ist, und der für seine Arbeit besser entschädigt wird. Vielleicht muss auch die Geschäftsstelle verstärkt werden. Doch diese Lösungen kosten Geld, was dazu führen wird, dass andere Budgetposten gekürzt werden müssen. Es ist nun an meinen Nachfolgern im Zentralvorstandsausschuss sowie an der Delegiertenversammlung und am Zentralvorstand, die entsprechenden Entscheidungen zu fällen.
Welche Beiträge sind für Sie zum Zeitpunkt Ihres Weggangs befriedigend?
Der erste Beitrag ist nicht einer, der den Spielern sofort ins Auge sticht, er ist jedoch unerlässlich für die gute Funktionsweise des Verbands: die Zusammenarbeit zwischen dem Zentralvorstandsausschuss und den Regionalverbänden ist nun konstruktiv. Im allgemeinen Interesse des Tischtennissports ziehen alle an einem Strang. Das war nicht unbedingt der Fall, als ich mein Amt antrat: die Grundstimmung war sehr angespannt oder sogar kontraproduktiv. Heute haben ausserdem zahlreiche Regionalverbände dynamische und kompetente Präsidenten. Das ist unerlässlich.
Und wie sieht’s mit den sichtbarsten Fortschritten aus?
Die meisten meiner Bemühungen waren auf die Vereine ausgerichtet, denn es sind die Vereine, die neue Mitglieder aufnehmen werden, und die dafür sorgen werden, dass die Spieler länger in ihrem Verein bleiben. Der nationale Verband und die Regionalverbände können sie dabei lediglich begleiten, sie können sie ermutigen, sie beraten und ihnen die Instrumente zur Verfügung stellen. Dann ist es aber am Verein zu entscheiden, ob gearbeitet wird oder nicht und ob die Instrumente genutzt werden oder nicht. In den vergangenen 4 Jahren wurden mehrere Massnahmen für die Vereine eingeleitet: Durchführen eines Clubforums, inklusive Verfassen eines Schlussberichts, der jedem Präsidenten zugestellt wird, ein Ermutigungs-, Willkommens- und Präsentationsbrief, den jeder neue Vereinspräsident erhält, Zurverfügungstellung eines Praktikanten – Curdin Robbi –, der vorschlug, sich mit allen Vereinen zu treffen, um sich über Probleme und Praktiken auszutauschen, Gründung einer Breitensportkommission mit einem Vertreter pro Region, um den Vereinen Ideen und Instrumente vorzuschlagen. Ich bin der Meinung, dass diese Bemühungen aktiver betrieben werden müssen, jetzt, wo der Rückgang der Lizenzzahlen anscheinend (ich möchte mich hier vorsichtig ausdrücken) zum ersten Mal seit sehr langer Zeit praktisch gestoppt wurde. Wir haben ein paar vielversprechende Samen ausgesät, die nun regelmässig während mehrerer Jahre bewässert werden müssen, damit schöne Früchte geerntet werden können.
Was bleibt noch zu tun?
Es sind viele Baustellen vorhanden, angefangen bei der Verbesserung der Finanzen. Idealerweise braucht der Verband mehrere hunderttausend Franken mehr pro Jahr, um effizienter arbeiten zu können, und den Vereinen eine viel effizientere Hilfe anbieten zu können; niemand weiss jedoch, wie das geschehen soll und von wo dieses Geld kommen könnte. Diese Situation ist nicht neu. Wie bereits gesagt, müssen auch die Strukturen und die Funktionsweise des Verbands moderner gestaltet werden, namentlich, um beim Personal aber auch in der strategischen Führung eine gewisse Kontinuität zu fördern. Bei der (internen und externen) Kommunikation muss auch noch viel Arbeit geleistet werden, namentlich bei der Nutzung der sozialen Netzwerke. Zu diesem Thema hatte ich ein paar Ideen, fand jedoch aufgrund der fehlenden Unterstützung nie die Zeit für deren Umsetzung. Glücklicherweise ist der Verbands-Geschäftsführer ein Kommunikationsspezialist. Das Dossier ist ihm sehr wichtig und in diesem Bereich verfügt er über viel Kompetenzen.
Bedauern Sie zum Zeitpunkt Ihres Weggangs etwas?
Ich bedaure zwei Dinge. Erstens dachte ich, dass ich keine Zeit haben werde, um an Wochenenden an Meisterschaften und grösseren Turnieren vor Ort zu sein. Leider war dies effektiv der Fall, dies vor allem aufgrund meiner beruflichen Verpflichtungen. Deshalb war ich für die Organisatoren nur wenig sichtbar, was ich bedaure. Zweitens sagte ich mir bei meiner Wahl, dass die kleine Entschädigung des Präsidenten für seine Arbeit die Möglichkeit sein wird, STT zweimal pro Jahr an den Europa- und Weltversammlungen zu vertreten, die anlässlich der Europa- und Weltmeisterschaften stattfinden. Auch hier fehlte mir leider die nötige Zeit und anstatt zweimal jährlich während 4 Jahren diesen Grossanlässen beizuwohnen, konnte ich nur ein einziges Mal daran teilnehmen. Man muss aber die Sache auch positiv betrachten: so konnte STT ein paar willkommene Einsparungen machen (lacht).
Sie verlassen also die Tischtenniswelt?
Natürlich nicht. Durch die Abgabe des Amts als STT-Präsident werde ich wieder Zeit haben, öfter zu spielen. Ich habe gesagt «öfter spielen» und nicht «besser spielen» (lacht). Ich werden weiterhin den Vorsitz des Komitees vom europäischen Top 16 in Montreux übernehmen. Wir haben soeben erfahren, dass die ETTU uns die Organisation bis mindestens 2023 anvertraut, was mit einem grossen Arbeitsaufwand verbunden ist. Ausserdem ist es nicht ausgeschlossen, dass ich in einiger Zeit, wenn ich mich von der Präsidentenfunktion erholt habe, wieder ein Amt übernehme, jedoch auf einer unteren Ebene und nicht unbedingt als Präsident. Ich werde mich somit weiterhin für den Tischtennissport einsetzen.
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